Das Konzept bin ich

Foto: Jana Mila Lippitz

Eine kollektive Stückentwicklung über die Euthanasie im Nationalsozialismus von und mit
i can be your translator

GROUND SUPPORT Preisträger des Favoriten Festival 2018.

Weitere Aufführungen

16. + 17. April 2019 | Schauspiel Dortmund | www.theaterdo.de

Als „Euthanasie“, als leichtes und schönes Sterben, bezeichneten die Nazis auf zynische Weise das Ermordungsprogramm an Menschen, die nicht der ausgerufenen Norm von Gesundheit und Produktivität entsprachen. Über ein Jahr hinweg haben i can be your translator zu den historischen Fakten und ideologischen Rechtfertigungen der Tötungen recherchiert, sind zu Mahnmalen und Gedenkstätten gefahren, haben sich konfrontiert und emotional auseinandergesetzt. Kollektiv und vielstimmig fragen sie nun: Welche Konzepte liegen damaligen und heutigen Vorstellungen von „lebenswert“ und „lebensunwert“ zugrunde? Sie tasten sich spielerisch heran, schaffen leise Momente für Erinnerung und Trauer, wie auch starke Momente der Entgegnung: Das Konzept bin ich!

 

Himmel. Wolken.
Die blaue Wand.
Ich lauf entlang. Bei der blaue Wand
rund zu gehen.
Spüre ich das ist eine Seele, das auflöst.
Die Seele kann man das loslassen.
Und das spürt, man, wenn man dran erinnert.
Und auch erinnern kann,
was Andenken bedeutet.
Auch, das spüren kann,
wie die nicht am Leben sind, spüre auch.
Ich laufe entlang mit dem blauen Wand.
Die blaue Wand ist auch blau wie die Himmel.
Wolkenlos. Spüre ich, wie die Seele
beruhigend sind und berühre ich genauso, dass man gelöst wird. Spüre ich so, dass dran zu erinnern kann, dass die geliebten
Menschen beiseite zu schieben.

Laurens Wältken

In der untersten Etage des Kellers. Wie sie da gegenüber im Raum gequält und gefoltert werden. Ich kenne einen Erzfeind mit Hakenkreuz. Der hat sich bereit erklärt, der Anführer des zweiten Weltkrieges zu sein. Und das so hinzukriegen, dass kein Wasser mehr fließt, sondern Gas. Und dadurch ist es gekommen, dass die bewusstlos waren und am Ende dann auch noch starben. In diesem Sinne begann ein trauriges Ende mit einem neuen Anfang. In dem hintersten Bereich der Gedenkstätte. Mit denjenigen, die umgebracht worden sind. Und da bleibt kein Auge trocken. Und das ist auch kein Wunder, dass die Tränen flossen. Es bleibt das Ende der damaligen Zeit mit einer Traurigkeit verbunden. Die Hauptsache ist, dass ich lebe.

Christian Schöttelndreier

Hintergrund

2015 – 2017 beschäftigte sich die i can be your translator im Rahmen einer Förderung der Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft mit dem Thema Euthanasie im Nationalsozialismus sowie Strategien und Methoden für eine gleichberechtigte Konzeptentwicklung. Als Kollektiv, zu dem auch Künstler*innen mit Behinderung gehören, haben sie neue Arbeitsweisen erprobt. Vor allem aber hat die Gruppe sich kollektiv einem Thema genähert, von dem einige der Mitglieder in der damaligen Zeit selber betroffen gewesen wären. Gerade das hat i can be your translator dazu veranlasst, gemeinsam einen Theaterabend zu entwickeln, der den Prozess der Konzeptionsphase widerspiegelt.
Beim Versuch, das Thema Euthanasie im Nationalsozialismus auf der Bühne zu verhandeln, erscheint die Wahrscheinlichkeit zu scheitern, zunächst sehr groß, weil die Gefahr dem Thema nicht gerecht zu werden, hoch ist: Es kann zu moralisierend, banal oder sogar zynisch werden. Während der Konzeptentwicklung zeigte sich, dass diese Gefahr immer dann wuchs und sichtbar wurde, wenn wir Ideen erprobten, die nur eine einzelne Perspektive und Herangehensweise vorsahen.
Daher wurde in der Stückentwicklung der Ansatz verfolgt, die Vielstimmigkeit, die sich im Rahmen der kollektiven Konzeptentwicklung ausgebildet hat, als Grundlage und Rahmung für eine szenische und musikalische Umsetzung zu nutzen. In diesem Sinne ist das Stück nicht nur ein Stück über das Thema Euthanasie, sondern ein Stück, dass mit performativen, sprachlichen und musikalischen Mitteln die verschiedenen individuellen Zugänge, Umgangsweisen und Betroffenheiten darstellt.

Begründung der GROUND SUPPORT Jury

i can be your translator sind mit ihrer Arbeit Das Konzept bin ich ein doppeltes Wagnis eingegangen. In dem sie sich einem schwierigen Thema stellen; und in dem sie sich zu diesem Thema als Mixed Ability Gruppe ernsthaft am Kollektiven und gleichberechtigten Arbeitsprozess versuchen. Wir waren beeindruckt und berührt von ihrer Auseinandersetzung, die gleichermaßen Raum für ein gemeinsames Trauern und Gedenken lässt und trotzdem sehr humorvoll immer wieder in das Hier und Jetzt des Gruppenprozesses und des gemeinsamen Musikmachens zurückfindet.

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